Das OLG Wien hat sich für Tankstellenpächter äußerst positiv zu den Billigkeitsgründen beim Ausgleichsanspruch geäußert

 

Billigkeitsgründe Ausgleichsanspruch: Ausgangslage war ein von uns geführtes Verfahren für einen Tankstellenpächter. Von uns wurde argumentiert, dass die veraltete „Formel 50“ nicht mehr zulässig ist. Bei dieser Formel wurde pauschal 50% Billigkeitabschlag vorgenommen. Wir haben sogar konkrete Gründe für einen Billigkeitszuschlag (!) angeführt, die vom Oberlandesgericht Wien übernommen wurden. In Summe wurde dann überhaupt kein Billigkeitsabschlag mehr vorgenommen:

 

Umstände für Billigkeitsabschläge

Liegen Umstände vor, die aus Billigkeitsgesichtspunkten nach Ermittlung des Rohausgleichs eine Minderung des Ausgleichsanspruchs rechtfertigen, wie z. B. Sogwirkung der Marke, Standort, Investitionen am Standort, Vertragsdauer, Eigenverschulden an der Vertragsauflösung oder Verwaltungsanteil, so verringert sich der Rohausgleich entsprechend. Billigkeitsgesichtspunkte führen jedoch nicht immer zu einer Herabsetzung des Ausgleichs. Die Billigkeit muss alle Umstände berücksichtigen oder das gesamte Vertragsverhältnis nach Wesen und Inhalt einschließlich aller Gründe der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände kann auch solche Momente einbeziehen, die den Ausgleich fördern und die negativen Aspekte zumindest aufwiegen. Das Billigkeitsurteil kann durch eine Saldierung andere negative Billigkeitsgründe ausgleichen. Daher entscheidet eine Gesamtabwägung. Demjenigen, der eine Erhöhung oder Reduzierung des Ausgleichs unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit behauptet, obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeitserwägungen.

 

Billigkeitsgründe: Faktoren für Billigkeitskorrekturen

In der Rechtsprechung und Literatur werden für eine mögliche Korrektur des Provisionsentgangs aus Stammkundengeschäften, als Ausgangsgröße für die Ermittlung des Ausgleichsanspruchs, vor allem die Motive der Stammkunden, die eine bestimmte Tankstelle anzufahren, untersucht. Üblicherweise werden dabei die Lage der Tankstelle, der Treibstoffpreis, die sogenannte Sogwirkung der Tankstellenmarke, Tankkarten und damit verbundene Vorteile sowie der Zustand der Tankstellenanlage als der Mineralölgesellschaft zuzuordnende Faktoren (Billigkeitsabschlag) und Service, Freundlichkeit und Sauberkeit der Anlage als dem Pächter zuzuordnende Faktoren (Billigkeitszuschlag) bewertet. Auch mit der Beendigung des Handelsvertretervertrages zusammenhängende Umstände können relevant sein. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass bei Stammkunden die unternehmensbezogenen Motive (geografische Lage der Tankstelle, insbesondere an einem verkehrsgünstigen Standort, Öffnungszeiten, Preisgestaltung, Ausgabe von Tankkarten usw.) und die pächterbezogenen Motive (Freundlichkeit, Kompetenz und Hilfsbereitschaft des Personals, Sauberkeit der Anlagen usw.) insgesamt gleichwertig zu bewerten sind.

 

Besondere Bedeutung der Sogwirkung der Marke

Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Billigkeitsprüfung kommt der sogenannten Sogwirkung der Marke zu. Diese führt dazu, dass der Handelsvertreter aufgrund der besonderen Bekanntheit einer Marke in der Regel geringere Anstrengungen unternehmen muss, um die Produkte des Unternehmers beim Kunden abzusetzen. Aufgrund der großen Nachfrage nach diesen Produkten seitens der Käufer der Vertragsprodukte ist der Kunde des Unternehmers (Wiederverkäufer) praktisch gezwungen, diese im Sortiment zu führen. Die Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters beschränkt sich daher weitgehend darauf, die Bestellungen des Kunden entgegenzunehmen. Nach den Feststellungen zum Bekanntheitsgrad der Marke *** steht fest, dass auch für diese Marke eine gewisse Sogwirkung besteht, von der naturgemäß auch die Klägerin als Betreiberin der Markentankstelle der Beklagten profitiert haben muss (Annahme: 10% Abschlag). Eine konkrete Quantifizierung solcher Stammkunden konnte jedoch nicht festgestellt werden.

 

Berücksichtigung der Lage und Ausstattung der Tankstelle

Zu Gunsten der Beklagten ist die Lage und Ausstattung der Tankstelle in *** zu berücksichtigen. An der steigenden Umsatzentwicklung war erkennbar, dass der Standort gut funktioniert und von den Kunden verstärkt angenommen wird. Neben dem Tankgeschäft stehen dort auch ein Shop, Gastronomie und eine Waschanlage zur Verfügung (Annahme: 20% Abschlag). Welchen Einfluss die Konkurrenzsituation gehabt haben könnte, bleibt mangels genauerer Untersuchungen und Feststellungen außer Betracht.

 

Pächterbezogene Gründe für Billigkeitszuschläge

Demgegenüber stehen die pächterbezogenen Gründe, in erster Linie die Freundlichkeit und Servicebereitschaft des Geschäftsführers der Klägerin und seiner Mitarbeiter, deren Einsatz zur Bildung des Stammkundenanteils geführt hat (Annahme: 10% Zuschlag).

 

Rechtliche Auseinandersetzung um Potentialpacht

Nach den getroffenen Feststellungen hat die Forderung der Beklagten, dass die Klägerin für 2015 eine Potentialpacht zu zahlen habe, und der Konflikt darüber letztlich zur Vertragskündigung geführt. Eine solche jährliche Potentialpacht war jedoch zum Vertragsabschlusszeitpunkt 2010 nicht ausdrücklich vereinbart worden. Die Klägerin hat sich daher zu Recht geweigert, eine solche Potentialpacht zu zahlen. Die Kündigung ist somit vielmehr von der Beklagten ausgegangen, was zu einer Verschärfung der wirtschaftlichen Lage der Klägerin wegen der Umsatz- und Gewinnproblematik bei der Tankstelle *** und damit einhergehend zu einer gesundheitlichen Verschlechterung ihres Geschäftsführers führte (Annahme: 20% Zuschlag).

 

Ausgleich von Motiven

Im hier vorliegenden Sachverhalt gleichen sich in Anbetracht der oben dargestellten Erwägungen die unternehmensbezogenen Motive und die pächterbezogenen Motive im Wesentlichen aus. Es ist weder ein Billigkeitsabschlag noch ein Billigkeitszuschlag vorzunehmen.

 

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Der Ausgleichsanspruch für Tankstellenpächter ist ein komplexes Thema, das von vielen Faktoren abhängt. Eine genaue Prüfung und gegebenenfalls rechtliche Beratung sind unerlässlich, um die eigenen Ansprüche zu verstehen und durchzusetzen.

Wenn Sie Fragen zum Ausgleichsanspruch für Tankstellenpächter haben oder rechtliche Unterstützung benötigen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um Ihre Fragen zu beantworten und Ihnen bei Ihrem Anliegen zu helfen.