Einstandszahlung und Ausgleichsanspruch an der Tankstelle

Klage um Einstandszahlungen und Ausgleichsansprüche

In einem aktuellen Rechtsstreit stand die Frage im Mittelpunkt, ob ein Tankstellenpächter nach Beendigung seines Vertrags einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß § 24 HVertrG (Handelsvertretergesetz) hat und ob eine vertraglich vereinbarte Einstandszahlung zulässig ist. Der Kläger, der von 2004 bis 2007 eine Tankstelle betrieb, forderte nach der Kündigung des Vertrags eine Ausgleichszahlung in Höhe von 63.537 EUR. Die beklagte Partei, das Tankstellenunternehmen, erhob dagegen eine Gegenforderung von 69.600 EUR basierend auf einer vereinbarten Einstandszahlung. Dies führte zu einem umfassenden Rechtsstreit über die Zulässigkeit von Einstandszahlungen, Ausgleichsansprüchen und die rechtliche Bewertung solcher vertraglichen Vereinbarungen.

Was ist ein Ausgleichsanspruch nach § 24 HVG?

Der Ausgleichsanspruch gemäß § 24 HVertrG ist eine Entschädigung, die ein Handelsvertreter nach Beendigung seines Vertrags erhalten kann, wenn er während der Vertragslaufzeit einen Kundenstamm aufgebaut hat, der dem Unternehmer auch nach der Beendigung des Vertrags weiterhin zugutekommt. Der Anspruch ist besonders relevant in Fällen, in denen der Handelsvertreter oder Tankstellenpächter eine erhebliche Menge neuer Kunden für den Unternehmer gewonnen hat und dieser nach der Vertragsbeendigung weiterhin von diesen Kunden profitiert.

Im Fall des Klägers wurde der Ausgleichsanspruch anhand seiner letzten Jahresprovision berechnet, die 115.677,65 EUR betrug. Der Kläger ging davon aus, dass er einen Anteil von 45 % des Kundenstamms gewonnen hatte und dass eine jährliche Abwanderungsquote von 20 % zu berücksichtigen sei. Zudem wurde ein administrativer Anteil von 10 % abgezogen, da der Kläger nicht nur Kunden akquirierte, sondern auch administrative Aufgaben übernahm. Nach Abzug dieser Faktoren ergab sich ein Rohausgleichsanspruch von 105.895,58 EUR, der jedoch um 50 % gekürzt wurde, um den Anteil der beklagten Partei an der Kundenakquise zu berücksichtigen. Am Ende ergab sich daraus der geforderte Ausgleichsbetrag von netto 52.947,79 EUR.

Der Kern des Rechtsstreits: Die Einstandszahlung

Die beklagte Partei stellte dem Ausgleichsanspruch des Klägers eine Gegenforderung gegenüber, die auf einer vertraglich vereinbarten Einstandszahlung von 58.000 EUR netto beruhte. Diese Zahlung sollte der Kläger für die Übernahme des Kundenstamms leisten, der bereits vor Vertragsbeginn bestand. Die Einstandszahlung wurde im Tankstellen-Agenturvertrag unter Punkt 5a festgelegt und sollte erst bei Beendigung des Vertrags fällig werden. Die beklagte Partei argumentierte, dass der Kläger durch die Übernahme der Tankstelle auch den bestehenden Kundenstamm übernommen und davon profitiert habe. Daher sei eine Einstandszahlung gerechtfertigt.

Sind Einstandszahlungen rechtlich zulässig?

Ein zentraler Punkt im Rechtsstreit war die Frage, ob eine solche Einstandszahlung rechtlich zulässig ist. Der Kläger bestritt dies vehement und argumentierte, dass die Einstandszahlung nicht gerechtfertigt sei, da ihm kein nennenswerter Kundenstamm überlassen worden sei. Vielmehr sah er in der Einstandszahlung eine verdeckte „Ausstandszahlung“, die lediglich den Zweck verfolge, den Ausgleichsanspruch zu umgehen, den er nach Beendigung des Vertrags gemäß § 24 HVertrG beanspruchte. Der Kläger führte zudem an, dass die Einstandszahlung erst bei Vertragsende fällig wurde, was seiner Meinung nach ein weiterer Hinweis darauf war, dass diese Zahlung lediglich dazu diente, den Ausgleichsanspruch zu kompensieren.

Das Argument des Klägers stützte sich auf den in § 27 HVertrG verankerten Unabdingbarkeitsgrundsatz, der besagt, dass der Ausgleichsanspruch im Voraus nicht vertraglich aufgehoben oder beschränkt werden darf. Der Kläger behauptete, dass die Einstandszahlung genau diesem Zweck diente und daher unzulässig sei.

Argumentation der Mineralölgesellschaft: Einstandszahlung als Gegenleistung

Die beklagte Partei argumentierte hingegen, dass die Einstandszahlung eine legitime Gegenleistung für den bereits bestehenden Kundenstamm sei, den der Kläger bei der Übernahme der Tankstelle erhalten habe. Sie stellte klar, dass der Kläger durch die Übernahme des Kundenstocks von Anfang an die Möglichkeit hatte, Provisionen zu verdienen. Daher sei die Einstandszahlung gerechtfertigt und keine Umgehung des Ausgleichsanspruchs.

Weiterhin führte die beklagte Partei aus, dass die Einstandszahlung nur dann erhoben werde, wenn der Vertrag durch Kündigung des Unternehmens beendet werde. Dies zeige, dass die Zahlung keine verdeckte „Ausstandszahlung“ sei, sondern eine echte Gegenleistung für den übernommenen Kundenstamm darstelle. Sie verwies außerdem darauf, dass der Betrag der Einstandszahlung angemessen sei und sich im Rahmen der üblichen Praxis bewege.

Vertragliche Vereinbarungen und rechtliche Grenzen

Das Gericht musste im Rahmen des Rechtsstreits prüfen, ob die Vereinbarung der Einstandszahlung gegen den Unabdingbarkeitsgrundsatz des § 27 HVertrG verstößt. Dieser besagt, dass der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nicht durch vertragliche Vereinbarungen im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden darf. Es stellte sich die Frage, ob die Einstandszahlung lediglich dazu diente, den Ausgleichsanspruch des Klägers zu umgehen und somit unzulässig war.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die vertragliche Vereinbarung der Einstandszahlung im Prinzip nicht ungewöhnlich sei. Ein solcher Punkt könne in einem Vertrag rechtlich wirksam sein, solange die Einstandszahlung als Gegenleistung für einen realen Vorteil, in diesem Fall den übernommenen Kundenstamm, angesehen werden könne. Entscheidend sei jedoch, ob die Einstandszahlung tatsächlich nur den Zweck verfolge, den Ausgleichsanspruch zu kompensieren.

Indizien für und gegen die Zulässigkeit der Einstandszahlung

Das Gericht führte mehrere Faktoren auf, die darauf hindeuten könnten, dass die Einstandszahlung unzulässig war. Ein entscheidendes Indiz war, dass die Zahlung erst bei Beendigung des Vertrags fällig wurde und nur dann erhoben wurde, wenn der Vertrag durch die beklagte Partei gekündigt wurde. Dies legte den Verdacht nahe, dass die Einstandszahlung in Wirklichkeit eine verdeckte Maßnahme war, um den Ausgleichsanspruch des Klägers zu umgehen.

Ein weiteres Indiz war, dass die Einstandszahlung genau der Höhe des zu erwartenden Ausgleichsanspruchs entsprach, was ebenfalls darauf hindeuten könnte, dass sie nur dazu diente, diesen Anspruch zu kompensieren. Wäre die Einstandszahlung tatsächlich eine echte Gegenleistung für den übernommenen Kundenstamm, so hätte sie nicht erst bei Vertragsende fällig werden sollen.

Sind sie von einer solchen Vereinbarung betroffen? Mögliche rechtliche Konsequenzen

Sollte das Gericht letztlich zu dem Schluss kommen, dass die Einstandszahlung eine unzulässige Umgehung des Ausgleichsanspruchs darstellt, könnte dies dazu führen, dass die Vereinbarung als unwirksam erklärt wird. In diesem Fall hätte der Kläger einen Anspruch auf die volle Ausgleichszahlung ohne Abzug der Einstandszahlung. Alternativ könnte das Gericht auch zu dem Schluss kommen, dass die Einstandszahlung zwar wirksam vereinbart wurde, aber ihre Höhe oder Fälligkeit unangemessen ist. In diesem Fall wäre eine Anpassung der Zahlung möglich.

Tankstellenpächter: Ihre Rechte bei Einstandszahlungen und Ausgleichsanspruch

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Hier können Sie den Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Pichler im juristischen Fachmagazin „Recht der Wirtschaft“ nachlesen